Obus

Die Stadt Leipzig verfügte von 1938 bis 1975 über ein Obus-Netz, das nicht als Ersatz, sondern parallel und gleichzeitig zu Straßenbahn, Diesel-Omnibus und S-Bahn betrieben wurde. Es verband die südwestlichen, südlichen und östlichen Stadtteile miteinander und erschloss auf einer Gesamtlänge von 45 Kilometer auch die Nachbarstädte Markkleeberg, Mark­ranstädt und Zwenkau.

Geschichte


Streckennetz 1965

Am 29.07.1938 nahm die Große Leipziger Straßenbahn (GLSt) ihre erste Obusstrecke (Linie A) in Betrieb. Gleichzeitig änderte sie ihren Namen in Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB). Damit war Leipzig die erste Stadt Sachsens (und die siebente Deutschlands) mit einem regelmäßigen Obusbetrieb (nach den Testbetrieben vor dem Weltkrieg).

Auf der Linie A, die zuvor mit Omnibussen betrieben wurde, aber zur Umstellung auf Straßenbahnen vorgesehen war, verkehrten zunächst fünf Obusse. Die Strecke führte von der Kreuzung Kronprinz-/ Bayrische Straße (heute: Kurt-Eisner- / Arthur-Hoffmann-Straße) in der Südvorstadt entlang der Kronprinzstraße und dem Schleußiger Weg nach Schleußig und entlang der Antonienstraße bis zum »Adler« in Kleinzschocher. Hier befand sich eine Wendeschleife, die durch die Windorfer Straße und die Klarastraße führte. Zum Bushof Lindenau, in dem die Obusse stationiert waren, führte eine Betriebsstrecke entlang der Antonien-, Diezmann-, Thüringer und Saalfelder Straße.

Die einige Jahre später eingerichtete Linie G führte von einer Wendeschleife in der Plaut-, Demmeringstraße und Gröpplerstraße entlang der Plautstraße zur Lützner Straße, wo es eine Verbindung zum Bushof Lindenau gab, und auf der Lützner Straße durch Schönau nach Miltitz. Hier befand sich an der ehemaligen Windmühle (heute ungefähr Kreuzung Lützner / Kiewer Straße, bis 1979 Stadtgrenze) eine Wendeschleife. Auf diesem ersten Abschnitt wurde der Verkehr am 17.11.1941 aufgenommen. Am 05.08.1942 wurde die Linie G entlang der Lützner Straße bis nach Markranstädt verlängert. Dort war ein Unterwerk für die Stromversorgung errichtet worden. Die Endstelle Markranstädt war der westlichste Punkt des Leipziger Obus-Netzes.

Am 09.12.1942 wurde die Obus-Linie A weiter nach Westen verlängert. Sie verkehrte nun vom »Adler« weiter entlang der Antonienstraße, bog am Gießerplatz nach Norden in die Gießerstraße, verließ diese an der Naumburger Straße nach Westen, befuhr das Süd-Ende der Friedrich-August-Straße (heute: Engert­straße), womit der Bahnhof Plagwitz auch durch den Obus erschlossen wurde, bog dann wieder nach Westen in die Karl-Heine-Straße, bog dann nach Norden in die Saalfelder Straße und dann nach Westen in die Lützner Straße, um in der Plautstraße an der Wendestelle in der Demmeringstraße zu enden (Umsteigemöglichkeit in die Linie G). Die nun überflüssige Betriebsstrecke entlang der Diezmann- und Thüringer Straße wurde demontiert; die Wendeschleife am Adler blieb aber erhalten. Für diese Verlängerung wurden vier neue Obusse sowie erstmals Obus-Beiwagen eingesetzt.

Am 12.04.1943 wurde ein Seiten-Arm der Obus-Linie G in Betrieb genommen, der von der Lützner Straße aus über die Miltitzer Schulstraße, den Auenweg und die Bahnhofstraße bis zum Bahnhof Miltitz führte, wo eine Wendeschleife angelegt wurde. Die hierhin führenden Kurse wurden zunächst als Linie R bezeichnet, dann aber als Verlängerung der Linie A gefahren.

Am 28.11.1943 musste der Abschnitt Adler – Miltitz wegen Fahrzeugmangels wieder stillgelegt werden. Vom 04.12.1943 bis 17.01.1944 war auch der Verkehr zwischen Adler und Südvorstadt wegen kriegsbedingter Zerstörung der Fahrleitungen unterbrochen. Die Linie G konnte zwischen Schönau und Markranstädt pendeln. Ab 22.05.1944 wurde die Strecke Lindenau – Miltitz wieder befahren.

Nach den Kriegszerstörungen lebte der zusammengebrochene Obusverkehr am 23.05.1945 wieder auf, als erstmals drei Obusse wieder als Linie A zwischen »Adler« und Bayrischer Straße pendelten. Am 14.10.1945 konnte auch die Linie G zwischen Lindenau und Markranstädt wieder in Betrieb genommen werden. Ab 01.09.1946 wurde die Linie G wegen Reifenmangels allerdings durch Gas-Omnibusse (bis Angerbrücke) ersetzt, ebenso wie ab 19.12.1946 die Linie A aus dem gleichen Grund durch Diesel-Omnibusse. In der Folgezeit wurden dennoch einzelne Obusse auf den Strecken eingesetzt.

Anfang 1950 hatte sich die Reifenproduktion soweit erholt, dass die Linie G wieder in Betrieb genommen werden konnte. Sie wurde im Osten bis zum Bushof Lindenau verlängert, wo eine Wendeschleife eingerichtet wurde, so dass die Anlagen in der Plaut-, Demmering- und Gröpplerstraße abgebaut werden konnten. Am 07.03.1950 wurde auch der ordentliche Linienbetrieb auf der Linie A zwischen »Adler« und Arthur-Hoffmann-Straße aufgenommen, der ab 01.04.1950 bis zum Bushof Lindenau verlängert wurde. Ab 01.03.1951 wurde Miltitz mit der neuen Linie B (nach Lindenau) wieder an das Obus-Netz angeschlossen.

Im Jahr 1951 wurde das Obus-Netz nach Osten erweitert. Vom bisherigen Endpunkt Kurt-Eisner-/Arthur-Hoffmann-Straße führte die Verlängerung entlang der Arthur-Hoffmann-Straße nach Norden bis zum Bayrischen Platz, den sie (anders als die heutige Buslinie) geradlinig überquerte, und weiter in die Nürnberger Straße. Hier bog sie nach Osten in die Liebigstraße, befuhr diese auf der gesamten Länge und endete zunächst in einer Wendeschleife am Ostplatz, die am Nordrand des Neuen Johannisfriedhofes, entlang der Straße Vor dem Hospitaltore und der Johannisallee führte. Dieser erste Erweiterungsabschnitt wurde am 16.12.1951 in Betrieb genommen, indem die Linie A bis zum Ostplatz verlängert wurde.

Ende 1952 wurde vor dem Bahnhof Plagwitz in der Engertstraße eine Wendeschleife eingerichtet, die als Endstelle der neuen Verstärkungslinie AE diente.

Am 01.05.1953 wurde die Obus-Linie A erneut nach Osten verlängert. Vom bisherigen Endpunkt am Ostplatz führte sie entlang der Oststraße durch Reudnitz bis zu einer Wendeschleife, die durch die Lipsiusstraße und die Holsteinstraße verlief. Die neue Endstelle »Lipsiusstraße« war der östlichste Punkt des Leipziger Obus-Netzes.

Die Linie C führte von Leipzig über Gautzsch und Prödel in die südwestliche Nachbarstadt Zwenkau, wo im Stadtteil Imnitz ein Obushof errichtet wurde. Der erste Abschnitt dieser Strecke von der Wendeschleife Gautzsch (entlang der August-Bebel- und Städtelner Straße) bis Zwenkau wurde am 20.12.1956 in Betrieb genommen. Am 01.05.1957 wurde diese Strecke nach Norden bis an die Stammlinie A verlängert, wobei zunächst die Koburger und Wolfgang-Heinze-Straße befahren wurde, dann aber die Brand-, Windscheid- und August-Bebel-Straße bis zur Kurt-Eisner-Straße genutzt wurde. In der Kurt-Eisner-Straße endete die Linie an der Wendeschleife Arthur-Hoffmann-Straße.

Im Jahr 1958 musste die Trasse in der Gemeinde Miltitz nach Norden verschwenkt werden, da die direkte Streckenführung entlang der alten Lützner Landstraße vom Braunkohletagebau Kulkwitz überbaut wurde. Die Obusstrecke verlief ab 24.08.1958 entlang Schulstraße und Auenweg bis zur neuen Lützner Straße. Gleichzeitig wurde die Linie G eingestellt und die vorher in Miltitz endende Linie B bis Markranstädt verlängert. Die in der Geschwister-Scholl-Straße liegenden Oberleitungen und die Wendeschleife am Bahnhof Miltitz wurden danach demontiert.

Seit dem 02.05.1966 wurden auf der Linie C Skoda-Obusse eingesetzt.

Das geringe Platzangebot in den LOWA- und Skoda-Obussen einerseits und der Fahrermangel andererseits führten dazu, dass schrittweise auch Diesel­omnibusse auf den Obusstrecken eingeführt wurden: ab 02.01.1967 auf der Linie A, dann auch auf den anderen Linien. Zunächst dienten diese nur zur Verstärkung der Obusse. Aufgrund des höheren Platzangebots in den Ikarus-Gelenkomnibussen verdrängten diese die Obusse immer mehr. Am 31.03.1969 fand die letzte Obusfahrt auf der Linie A statt, die Stromleitungen zwischen Ostplatz und Lipsiusstraße wurden schon in der ersten Aprilhälfte demontiert. Auf der Verstärkungslinie A' (Plagwitz - Ostplatz) waren aber noch Obusse im Einsatz. Im Februar 1971 wurde die Wendeschleife am Ostplatz umgebaut, so dass sie nun im Uhrzeigersinn befahren werden musste. Am 24.03.1972 wurde schließlich auch die Linie A' eingestellt. Am 02.05.1972 wurde die vormals in der Arthur-Hoffmann-Straße liegende und für die Linie C noch genutzte Wendeschleife in die Kochstraße verlegt.

Als die Fernverkehrsstraße 2 zwischen Zwenkau und Markkleeberg vom Tagebau überbaut wurde, wurde am 01.10.1972 die Obuslinie C eingestellt. Zwischen dem Bushof Lindenau und Zwenkau wurden alle Fahrleitungen abgebaut. Der Obusbetrieb fand nun nur noch auf der Linie B zwischen Lindenau und Markranstädt statt, wobei eine Schnelllinie BS, die an Miltitz vorbeifuhr, schon mit Omnibussen bedient wurde.

Am 31.05.1975 fand der letzte Obuseinsatz auf der Linie B statt; diese wurde ebenfalls auf Diesel­omnibusse umgestellt. Damit endete nach fast 37 Jahren vorerst der Obusbetrieb in Leipzig.

Das große Zukunftspotential von Obussen, die die Vorteile von Straßenbahn (emissionsfreier Betrieb) und Omnibus (Schienenfreiheit) vereinen, ohne deren Nachteile (Spurgebundenheit und teure Trassen bzw. Dieselruß und Lärm) zu haben, wurde damals verkannt. Umweltbelastungen durch Abgase, Lärm und Feinstaub oder Dieselpreise spielten keine Rolle, wichtiger war die Einsparung von Fahrpersonal.

Eine Wiederaufnahme des Obusbetriebs würde angesichts der Politik der LVB der letzten Jahre, immer mehr Straßenbahnlinien durch Busse zu ersetzen, und der aktuellen ökologischen Situation nahe liegen. Dennoch wurde sie bisher nicht erwogen.

Im Jahr 2008 gab die LVB eine Studie in Auftrag, die (angesichts stark gestiegener Dieselpreise) die Möglichkeit der Wiedereinführung des Obusbetriebes in Leipzig prüfen soll.