Universitätskirche St. Pauli

Karte
Der Augustusplatz um 1900

Die Universitätskirche St. Pauli befand sich an der westlichen Seite des Augustusplatzes (1945–1990: »Karl-Marx-Platz«) südlich der Einmündung der Grimmaischen Straße.

Die Kirche wurde im Jahr 1240 durch den Erzbischof von Magdeburg Hildebrand in Anwesenheit der Bischöfe von Merseburg, Zeitz und Meißen als Klosterkirche St. Pauli des Leipziger Dominikanerklosters dem Apostel Paulus geweiht. Da die Leipziger Dominikanermönche wegen ihres Kirchpatrons auch als »Pauliner« bezeichnet wurden, setzte sich später der volkstümliche, aber eigentlich falsche Name Paulinerkirche durch.

Ursprünglich stieß die Kirche mit ihrer Ostseite an den Grimmaischen Zwinger und bildete den nördlichen Abschluss der Klosteranlagen.

Der Haupteingang der Kirche befand sich auf der Nordseite. Entlang der Südseite verlief ein Gewölbegang, der über eine Pforte mit dem Hof des Paulinum verbunden war, und in dem sich zahlreiche Grabstätten befanden. – An Stelle eines Turms hatte die Kirche St. Pauli, wie bei Dominikanerkirchen üblich, nur einen kleinen Dachreiter.

Im Jahr 1519 wurde der Hohe Chor an der Ostseite etwas nach Westen verrückt.

Nach der Säkularisierung des Dominikanerklosters in Folge der Reformation im Jahr 1539 wurde mit dem Klosterkomplex auch die Kirche St. Pauli am 22.05.1543 durch den Herzog von Sachsen Moritz (1521–1553) der Universität Leipzig übereignet und am 28.06.1543 übergeben. Zunächst diente sie ausschließlich als Aula. Unter C. Borner (1492?–1547) wurde die Kirche 1544 ausgebessert, der Reformator Dr. M. Luther (1483–1546) weihte sie am 12.08.15451) durch eine Predigt dem protestantischen Gottesdienst. Nun wurde sie meist unter Weglassung des heiligen Patrons einfach als Universitätskirche bezeichnet.

Bei der Stadtbefestigung im Jahr 1546 wurde ein Teil des Chores abgebrochen und die Kirche dadurch verkürzt; nun stand der Ostgiebel genau in der Flucht der äußeren Stadtmauer.

In den Jahren von 1710 bis 1712 fand eine Umgestaltung der Kirche statt, bei der der Haupteingang an den Westgiebel verlegt wurde. Gleichzeitig wurden zweistöckige Emporen eingebaut. Auf der Westempore wurde im Jahr 1710 eine große Orgel eingebaut.

Im Jahr 1813 diente die Kirche als Lazarett, erst seit 1817 wurde sie, inzwischen renoviert, wieder als Universitätskirche genutzt.

Im Jahr 1838 wurde der Ostgiebel im Zusammenhang mit dem Bau des benachbarten Augusteums nach Plänen des Architekten A. Geutebrück (1801–1868) neu gestaltet; vor allem erhielt er in Symmetrie zu dem schon vorhandenen nördlichen Fenster ein viertes Fenster in der südlichen Achse sowie eine große Rotunde im Zentrum des dreieckigen Dachgiebels, die von einem großen gotischen Bogen, der auf die mittleren beiden Pfeiler gestellt war, umrahmt wurde.

In den Jahren 1897/1898 erfolgte nach einem Entwurf des Architekten A. Rossbach (1844–1902) eine erneute grundlegende Umgestaltung des Ostgiebels, bei dem vor allem die mittleren beiden Fenster unter der Rotunde zu einem einzigen, breiten Fenster zusammengefasst wurden, in die Pfeilerachsen neogotische Pilaster eingebaut und an Stelle des gotischen Bogens ein bis an die Dachflächen reichendes Quadrat gesetzt wurde.

Den schweren Bombenangriff vom 04.12.1943 überstand die Universitätskirche fast unbeschädigt, während das südlich gelegene Augusteum ausbrannte und das nördlich gelegene Kaffeehaus Felsche vollständig zerstört wurde.

Seit dem Ende der 1950er Jahre wurde eine einheitliche Neugestaltung des Universitätsgeländes am Karl-Marx-Platz diskutiert. Dabei sollte der gesamte Bereich zwischen Grimmaischer Straße, Karl-Marx-Platz und Universitätsstraße einbezogen werden, wobei die noch vorhandene, nur z.T. zerstörte Bebauung abgebrochen werden müsste. Für eine aus dem Mittelalter stammende ehemalige Klosterkirche war in diesen Plänen für eine sozialistische Karl-Marx-Universität keinen Platz mehr.

Am 07.05.1968 bestätigte das Politbüro des ZK der SED die Pläne zur Neugestaltung des Universitätsgeländes. Am 16.05.1968 bestätigte der Senat der Universität die Pläne; am 23.05.1968 (Christi Himmelfahrt) beschloss auch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Leipzig die Neugestaltung. Daraufhin wurde am 30.05.1968, um 1000 Uhr die Universitätskirche gesprengt.

In den Folgejahren wurde das Grundstück überbaut, vor allem mit dem querstehenden neuen Hauptgebäude der Karl-Marx-Universität, aber auch mit dem Mensaflügel. Der neue Gebäudekomplex wurde 1974 fertiggestellt. Genau an der Stelle des ehemaligen Ostgiebels der Kirche wurde über dem Nordeingang des Hauptgebäudes das fast die ehemalige Breite der Kirche aufnehmende Bronzerelief »Aufbruch« angebracht, dessen Blickfang eine Profildarstellung des Kopfes vom neuen Namenspatron K. Marx (1818–1883) bildet.


Gedenktafel Vollbild (235 kB)

Von 1993 bis 2007 erinnerte eine Sandstein-Gedenktafel, die von M. Klemm (* 1941) entworfen wurde, an die Universitätskirche.

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre kam die Diskussion um einen möglichen Wiederaufbau der Universitätskirche auf, die sich noch verstärkte, als eine Neugestaltung des nun als »Campus« bezeichneten Universitätsgeländes im Zuge der Vorbereitung der 600-Jahr-Feier der Universität im Jahr 2009 in Aussicht gestellt wurde.

Während die Universität ein nur grob oder überhaupt nicht an die ehemalige Kirche erinnerndes Aula-Gebäude bevorzugt, setzt sich der Paulinerverein für einen möglichst originalgetreuen Wiederaufbau der Kirche ein. Im Ergebnis eines im August 2001 ausgeschriebenen Architekten-Wettbewerbs zur Neugestaltung des »Campus« stellte der höchstprämierte Vorschlag an Stelle der ehemaligen Kirche einen Naturstein-Glas-Würfel. Erst ein an fünfte Stelle gesetzter Entwurf schlug – allerdings in gewächshausartiger Glas-Metall-Konstruktion – ein an das Kirchenschiff erinnerndes Aula-Gebäude vor, das vor allem am Augustusplatz die charakteristische Giebelform wieder zeigen soll.

In Ignoranz der Wünsche der Universitätsleitung und der Ergebnisse des Architekten-Wettbewerbs beschloss die sächsische Staatsregierung am 28.01.2003, das Grundstück der ehemaligen Kirche aus der »Campus«-Bebauung herauszulösen und für eine eventuelle Kirchenbebauung durch Dritte freizuhalten; im Ausgleich solle die Universität ein anderes Grundstück erhalten. Daraufhin trat am 30.01.2003 der Rektor der Universität Leipzig, Prof.Dr. V. Bigl (1942–2005), von seinem Amt zurück, ihm folgten einen Tag später alle drei Prorektoren.

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Fußnote:

 1) für den Hinweis auf das richtige Jahr 1545 danke ich Frau Dr. Henrike Dietze, Leipzig
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