Otto-Runki-Straße

Die Otto-Runki-Straße war eine Anliegerstraße im Leipziger Stadtteil Neu­schönefeld.

Die Straße begann ursprünglich an der Einmündung der Melchior­straße (bis 1906 »Georg­straße«) in die Straße Rabet (ursprünglich »Rabeth«, auch »Rabeth-Straße«) und führte geradlinig nach Osten. Dabei nahm sie die von Norden kommende die Thümmel­straße (bis 1905 »Friedrich­straße«) auf, ent­sendete die nach Süden führende Reinhartstraße (bis 1906 »Heinrich­straße«), nahm die von Norden kommende Rosen­straße auf und mündete schließlich in die Hermann-Liebmann-Straße (ursprünglich »Kirchweg«, später »Kirch­straße«, »Alfred-Kindler-Straße« und wieder »Kirch­straße«). Die geradzahligen Hausnummern befanden sich auf der südlichen Straßenseite.

Die Straße wurde in den 1840er Jahren mit der späteren Gemeinde Neuschönefeld angelegt. Sie erhielt zunächst den Namen Clara­straße (Claraſtraße),? der erstmals im Flurbuch von Neuschönefeld 1849 genannt wird.

Nach wem die Clarastraße benannt wurde, bleibt unklar. Bei Weißbach (S. 12) wird vermutet, bei Stein 2014 sogar behauptet, dass die Benennung nach einer Tochter des Leipziger Kaufmanns Carl Lampe (1804–1889) erfolgt sei. Allerdings kennt Hohlfeld nur sechs Kinder Lampes, und eine Clara ist nicht dabei. Auch hatte Lampe nur reichlich die Hälfte des späteren Neu­schöne­feld gekauft, und konnte sicher nur in »seinem« Areal Straßen benennen. – Entweder benannte ein anderer Grundstücks­eigentümer die Clarastraße nach seiner Frau oder Tochter; oder der Neuschönefelder Gemeinderat benannte die Straßen im »Streu­besitz« selbst und nutzte dabei das Vornamen­muster Lampes, aber ohne eine konkrete Person zu meinen.

In den 1850er Jahren wurde die vorherige Marienstraße an die Clarastraße angeschlossen. Sie führte – entlang der Grenze zur Gemeinde Reudnitz – von der Carl­straße (heute Teil Neustädter Straße) zum Südende der Georg­straße, wo die Clara­straße bisher begann. Hetzels Karte zeigt 1864 die Clara­straße als durch­gehenden Straßen­zug von der Carl­straße zum Kirch­weg.


Situation 1888
Clarastraße grünlich, Rabet rötlich, problematischer Abschnitt gelblich

Am 1. Januar 1890 wurde die Gemeinde Neu­schönefeld in die Stadt Leipzig eingemeindet. Schon am 12. Februar 1890 wurde beschlossen, die Clara­straße zum 24. Fe­bruar 1890 an der Georg­straße wieder zu teilen: der West­teil der Straße (mit den fortlaufenden Haus­nummern 1, 2, 3, ... 6, 7; die ehemalige Marien­straße) wurde an die ältere Straße Rabet angeschlossen. Grund dafür dürfte sein, dass die gegenüber liegende Straßen­seite in Reudnitz schon seit mindestens 1880 als Rabeth-Straße adressiert wurde. – Der Ost­teil (mit den fort­laufenden Haus­nummern 8, 9, ... 40, 41) konnte seinen Namen Clara­straße vorläufig behalten.

Gleichzeitig zu dieser Trennung wurden neue Hausnummern vergeben (links un­gerade, rechts gerade): die Häuser 1...7 erhielten die Nummern Rabet 1–13, die Häuser 8...24 die Nummern Clarastraße 1–33, die Häuser 25...41 die Nummern 2–32. Nur wenige Tage später, am 11. März 1890, wurde die Nummerierung auf der rechten Seite korrigiert: die Häuser 25...41 erhielten die neuen Hausnummern 32–2.

Erst nach der Eingemeindung von Klein­zschocher in die Stadt Leipzig erhielt dort eine neue Straße den Namen »Clara­straße« (erstmals im Leipziger Adreßbuch 1894 auf­geführt), so dass es den Straßen­namen nun doppelt gab.1)

Nachdem im Jahre 1902 der Gymnasial­lehrer Dr. Konrad Duden (1829–1911) eigenmächtig Vor­namen der deutschen Rechtschreibung unter­warf, änderte sich die Schreib­weise der Straßen­namen »Clara­straße« zu Klara­straße (Klaraſtraße). Das Leipziger Adreß­buch benutzt im Jahrgang 1905 erstmals diese Form.


Leipziger Tageblatt 1. Januar 1907 

Am 10. März 1906 wurde beschlossen, die Neuschönefelder Klara­straße mit Wirkung zum 1. April 1907 in Adelheid­straße (Adelheid­ſtraße) umzubenennen. Dass damit die schon über 900 Jahre tote Frau des Kaisers Otto geehrt werden sollte, wie das »Verzeichnis Leipziger Straßen­namen« 2018 behauptet, ist äußerst zweifelhaft. Vielmehr dürfte es sich um eine reine »Vornamenstraße« handeln, bei der kein Bezug zu einer konkreten Person besteht.2)

Bei der politischen Massen­umbenennung („Ehre den sozialistischen Vorkämpfern! Ehre den Opfern der Barbarei!“) vom 1. August 1945 erhielt die Adelheid­straße den Namen Otto-Runki-Straße. Damit wurde an den KPD-Funktionär Otto Runki (1899–1945) erinnert.

Als 1976 die Arbeiten zur Anlage des Stadtteil­parks Rabet begannen, war auch die Otto-Runki-Straße betroffen. In den Folge­jahren wurde die Bebauung abgebrochen und in die Grün­anlage einbezogen. Der Straßenname wurde aufgehoben – heute erinnert nichts mehr an die ehemals dicht bebaute Straße.

Quellen

  1) Das ist insofern eigenartig, da die Stadtverwaltung gleich­zeitig damit beschäftigt war, doppelte Straßen­namen durch Umbenennungen zu beseitigen. So wurde beispielsweise 1893 die Elster­straße in Klein­zschocher an die Nonnen­straße angeschlossen. – Vielleicht hat gar nicht die Stadt­verwaltung die neue Straße in Klein­zschocher benannt, sondern der Ritterguts­besitzer Bernhard von Tauchnitz (1816–1895) selbst als »Privat­straße« (Clara war seine Tochter).
  2) Dafür spricht auch, dass die Leipziger Adressbücher dieser Zeit bei Straßen, die nach konkreten Personen umbenannt wurden, diese namentlich bezeichnet und kurz erläutert. So finden sich im Jahrgang 1907 ent­sprechende Informationen bei der Melchior- und Reinhart­straße, nicht aber bei der Adelheid- oder Martha­straße. Schließlich nennt auch der Beschluss selbst keine konkrete Frau.
Impressum | Inhalt | Vorwort | Chronik | Register